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Deutsche Gesellschaft für Reiserecht e. V.


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Rückblick auf die ITB-Veranstaltung vom 9. März 2003

Aktuelle Rechtsprobleme in der Tourismusindustrie

Zum 9. Mal hat die Deutsche Gesellschaft für Reiserecht eine Informationsveranstaltung für die Besucher der ITB durchgeführt. Diesmal wurde den interessierten Besuchern der ITB ein Überblick über aktuelle juristische Probleme gegeben, die für die Tourismusindustrie von Belang sind und auch den Nichtjuristen in den Reiseunternehmen bekannt sein sollten, da durch diese in nicht unerheblichem Maße die Rahmenbedingungen für die tägliche praktische Arbeit gestalten. Sehr erfreulich war, dass zahlreiche Vertreter von Reiseunternehmen von diesem Informationsangebot Gebrauch gemacht haben.

1. Die Reihe der Kurzvorträge eröffnete Frau Rechtsanwältin Petra Heinicke, München. Im ihrem Referat „Risiken und Nebenwirkungen des Sicherungsscheines“ analysierte sie zunächst die Ausgangsproblematik. Der Versicherer übernimmt mit der Insolvenzversicherung ein sehr hohes Risiko. Sein Wunsch, Risiko wie auch bereits eingetretenen Schaden zu begrenzen, ist nachvollziehbar. Strenge Bonitätsprüfungen im Vorfeld der Versicherung ziehen den Marktaustritt derjenigen Veranstalter nach sich, die den Kriterien nicht genügen können. Dies wirkt in einigen Fällen positiv als „Markbereinigung“, in anderen jedoch negativ als Verringerung des Wettbewerbs durch Marktkonzentration. Tritt der Insolvenzfall ein, zieht das Bestreben des Versicherers nach Schadensbegrenzung für die betroffenen Anspruchssteller grundsätzlich ein erhöhtes Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen nach sich. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen werden häufig auch Grundbegriffe des Reisevertragsrechts erstmalig oder wieder problematisiert. Beispielhaft stellte die Referentin dies an Fällen aus der eigenen Praxis dar.

In einem Rechtsstreit vor dem LG Frankfurt am Main ging es um folgenden Sachverhalt: Die klagenden Anspruchsstellerinnen waren Gesellschaften mit beschränkter Haftung und hatten bei einem Reiseveranstalter diverse Gruppenreisen gebucht, für die sie Sicherungsscheine erhielten. Die Reisen wurden von den GmbHs als eine Art Incentive verwendet, um die Teilnahme an einem Fachkongress (der nicht Bestandteil des beim Reiseveranstalter gebuchten Pakets war) rankten sich luxuriöse Unterbringung und ein reichhaltiges Besichtigungs- und Unterhaltungsprogramm an touristisch sehr attraktiven Zielorten. Nach der Insolvenz des Reiseveranstalters begehrten die Klägerinnen vom Sicherungsscheingeber die geleisteten Anzahlungen zurück.

Hiergegen wandte die Versicherung zunächst ein, juristische Personen könnten generell nicht Reisende im Sinne des § 651 a ff. BGB sein. Die Reisen seien zu gewerblichen Zwecken verwendet worden, würden deshalb nicht dem Schutz des Pauschalreiserechts unterliegen. Der Reiseveranstalter habe die Sicherungsscheine nicht aushändigen dürfen, da in seiner Gewerbe- und Handelsregistermeldung weder Kongress- noch Incentive-Reisen aufgeführt seien. Während der Laufzeit des Prozesses entschied der BGH am 16. 4. 2002 (RRa 2002, 154), dass auch eine juristische Person Reisender sein kann und ihre gewerblichen Zwecke bei der Zuwendung der Reiseleistungen an Dritte zu Urlaubzwecken und Erholung der Anwendung des Reisevertragsrechtes nicht entgegenstehen. Nachdem sich dementsprechend eine für die Versicherung ungünstige Entscheidung abzeichnete, wurde dann behauptet, die in Kopie vorliegenden Sicherungsscheine (Bürgschaftsmodell) seien von einem einzigen Original gezogen, der Zeitpunkt der Übergabe wurde ebenfalls bestritten. In der mündlichen Verhandlung wurden die Original-Sicherungsscheine vorsorglich vorgelegt. Das Gericht kam jedoch zur Auffassung, dass der Sicherungsschein nur eine deklaratorische Beweisurkunde darstellt, also auch ohne Übergabe des Sicherungsscheines die Zahlungspflicht der Versicherung bestand. Die Handelsregistereintragung des Veranstalters sei für den Umfang des Versicherungsschutzes nicht maßgeblich. Die Versicherung wurde antragsgemäß verurteilt.

Frau Heinicke leitete dann zu den typischen Probleme des Reisevermittlers im Zusammenhang mit dem Sicherungsschein über. Zahlungen dürfen nach § 147 b GewO bekanntlich nur bei Vorliegen eines Sicherungsscheines entgegengenommen werden – dies führt dazu, dass der Reisevermittler prüfen muss, ob ein Sicherungsschein erforderlich ist, ob er vorliegt und ob er wirksam vorliegt. Probleme können sich insoweit insbesondere bei Bausteinbuchungen und bei ausländischen Reiseveranstaltern ergeben. Die Prüfungspflicht wird nunmehr durch den vorgeschriebenen Mustertext (§ 9 I InfoV) erleichtert. Wer als Reisevermittler nicht oder mit vorwerfbar falschem Ergebnis prüft, haftet dem Reisenden auf Schadensersatz und wird damit sozusagen unfreiwilliger Ersatz-Insolvenzversicherer.

Durch die Neuformulierung des § 651 k BGB und das so genannte Hetzel-Urteil ist nun klargestellt, dass Zahlungen des Reisenden vom Reisebüro an den Veranstalter weitergereicht werden müssen, auch wenn dieser bereits in Insolvenz gefallen ist. Das frühere Risiko der divergierenden Instanzrechtsprechung ist damit für den Vermittler entfallen.

In dem von Frau Heinicke in diesem Zusammenhang vorgestellten Fall ging es um die Behandlung von Zahlungen des Vermittlers an den Reiseveranstalter aus eigenen Mitteln. Nach der eingetretenen Insolvenz machte der Vermittler aus abgetretenem Recht des Reisenden den Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises geltend. Eingewandt wurde zunächst, dass nur Zahlungen des Kunden selbst versichert seien. Versichert sind aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut „Zahlungen auf den Reisepreis“, egal, von wem diese erfolgen. Unterstützend kann hier auch § 267 BGB herangezogen werden. In diesem Fall war die Zahlung des Reisepreises sogar vor Fälligkeit erfolgt, so dass die beklagte Versicherung meinte, deshalb nicht zahlen zu müssen. Auch dieser Einwand blieb erfolglos, denn eine entsprechende Einschränkung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 271 Abs. 2 BGB legt im Übrigen fest, dass im Zweifel der Schuldner auch vor einer bestimmten Leistungszeit die Leistung bewirken darf.

Der dritte im Verfahren vorgebrachte Einwand des Versicherers, der Reisevermittler sei selbst Veranstalter gewesen, war nach der Dokumentenlage klar abwegig, zeigt aber, wie wichtig es ist, dass ein Reisebüro im Vermittlungsfall eindeutig die Vermittlung dokumentiert und nicht durch Bestätigung im eigenen Namen ohne Nennung des Veranstalters hier in eine rechtliche Grauzone gerät.

Zusammenfassend stellte Frau Heinicke fest, dass für den Reisevermittler bei sorgfältiger Handhabung die Risiken des Sicherungsscheines durchaus beherrschbar sind.

2. Der folgende Vortrag behandelte die geplante Verbesserung der Passagierrechte bei Überbuchungen, Annullierungen und Verspätungen. Frau Rechtsanwältin Christiane Leffers aus Frankfurt am Main stellte unter diesem Titel den Stand der Gesetzgebungsarbeiten der EU-Institutionen zu einer neuen „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen“1 vor. Gegenstand der Planungen ist eine maßgebliche Erweiterung der Passagierrechte im Vergleich zu der seit 1991 bestehenden getretenen Verordnung (EWG) Nr. 295/91 über Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung2 – im allgemeinen auch kurz als „Überbuchungs-Verordnung“ bezeichnet.

Frau Leffers berichtete eingangs, dass die Europäische Union schon seit etlichen Jahren Reformbestrebungen verfolgt, die bereits zu unterschiedlichen Entwürfen geführt haben. Der im vergangenen Jahr auf der ITB-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht diskutierte Vorschlag der EU-Kommission sei nun allerdings vom Tisch, da nun – seit Dezember 2002 der geänderte und teilweise gemäßigte – Entwurf des Rates der Europäischen Union vorliege. Eine auf diesem Entwurf beruhende neue Verordnung könne möglicherweise noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dabei könnten sich gegebenenfalls noch einzelne Formulierungen, aber nicht das Grundkonzept des Verordnungsvorschlages ändern.

An wesentlichen Neuerungen gegenüber der derzeitigen Rechtslage hob Frau Leffers unter anderem die folgenden Aspekte hervor:

Der Anwendungsbereich der neuen Regelung soll wesentlich erweitert werden: Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage sollen nicht nur Linienflüge erfasst werden, sondern auch alle Nicht-Linienflüge (Bedarfsluftverkehr), insbesondere auch solche im Rahmen von Pauschalreisen. Durch die Einbeziehung von Flügen im Rahmen von Pauschalreisen würden sich dann auch erhebliche Folgewirkungen für die Reiseunternehmen ergeben. Weiterhin soll die neue Verordnung über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus auch für solche Passagiere gelten, die von einem Flughafen in einem Land außerhalb der EU in einen EU-Mitgliedstaat fliegen, sofern der Flug von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchgeführt wird. Schließlich wird die geplante Verordnung nicht nur wie bisher die Rechtsfolgen bei Überbuchung regeln, sondern auch bestimmte Pflichten und Entschädigungsleistungen für die Fälle der Annullierung sowie der erheblichen Verspätung von Flügen vorsehen.

Neu ist im Falle der Überbuchung insbesondere die Einführung eines Freiwilligensystems. Sobald sich eine Überbuchung abzeichnet, muss die Fluggesellschaft demnach erst einmal Freiwillige suchen, die gegen Gewährung von im einzelnen zu vereinbarenden Vorteilen – gegebenenfalls Zahlungen – freiwillig von ihrer Buchung zurücktreten und damit Platz für andere Passagiere schaffen. Nur wenn sich nicht genügend Freiwillige finden, ist die Nichtbeförderung von Fluggästen gegen ihren Willen erlaubt. Frau Leffers äußerte Zweifel an der Praktikabilität und Ausgewogenheit des Freiwilligensystems, weil die individuellen Verhandlungen mit den Passagieren über zu gewährende Vorteile häufig unter Zeitdruck geführt werden müssten und zu „schiefen“ Ergebnissen führen könnten.

Die Verpflichtungen der Fluggesellschaften, den Passagieren im Falle der Überbuchung die Erstattung des Flugscheines oder die Weiterbeförderung anzubieten sowie verschiedene Betreuungsleistungen während der Wartezeit zu erbringen, wären auch in Zukunft im wesentlichen so ausgestaltet wie nach gegenwärtig geltendem Recht. Hier kritisierte Frau Leffers die Formulierung des Verordnungsentwurfes, der unterschiedliche Rechtsfolgen als „Unterstützung“ bezeichne und damit ein unnötiges Verwechslungsrisiko schaffe.

Die den Passagieren zu zahlenden Mindest-Ausgleichsleistungen sind in dem Verordnungsentwurf etwa verdoppelt worden und reichen je nach Fallgestaltung von 125,- bis 600,- EUR. Obwohl dies im Vergleich zu der noch im Vorjahr zur Debatte stehenden Verfünffachung der derzeit gültigen Beträge (75,- bis 300,- EUR) fast als moderat bezeichnet werden könne, hielt Frau Leffers auch diese Beträge angesichts der Entwicklung der Flugpreise für recht hoch. Mit entsprechender Kritik von Verbänden und Interessenvertretern sei wohl noch zu rechnen. Eine Begrenzung auf den Ticket-Preis soll nach neuem Recht nicht mehr möglich sein.

Solche Ausgleichsleistungen müssen nach dem Verordnungsentwurf auch im Falle der Annullierung von Flügen gezahlt werden. Bei Verspätungen sieht die Verordnung hingegen keine finanziellen Entschädigungen vor (diese könnten sich allerdings wie bisher aus anderen Rechtsvorschriften ergeben). Abschließend kritisierte Frau Leffers eine aus ihrer Sicht unzureichende Verzahnung der geplanten Neuregelungen mit dem Reiserecht, die wegen der vorgesehenen Einbeziehung von Nicht-Linienflügen erforderlich sei. Hier bestünde wohl ein gewisser Klärungsbedarf, z. B. im Hinblick darauf, wie Freiwillige bei Charterflügen ermittelt werden sollten und wie eine Weiterbeförderung durch die Fluggesellschaft sichergestellt werden solle, wenn doch die Organisationshoheit für die gesamte Reise beim Veranstalter liege. Nicht ausreichend geklärt sei auch die Anrechnung der in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsleistung auf mögliche Schadensersatzansprüche des Passagiers / Reisenden gegen den Veranstalter und schließlich sei das Verhältnis zur Reisepreisminderung (kein Schadensersatzanspruch), gar nicht geregelt.

Insgesamt, so meinte Frau Leffers, würde die neue Verordnung zur Verbesserung der Fluggastrechte sicherlich noch für viele Diskussionen sorgen – vielleicht könnten schon auf der nächsten ITB erste Erfahrungsberichte ausgetauscht werden.

3. Im Anschluss daran informierte Rechtsanwalt Paul Degott, Hannover, schlaglichtartig über aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs mit reiserechtlicher Relevanz.

Der Bundesgerichtshof hatte unter anderem einem Reiseveranstalter ins Stammbuch geschrieben, bei drohenden Naturereignissen oder sonstigen Gefahren, die den Reisenden und seine Reise erheblich beeinträchtigen könnten, so rechtzeitig zu informieren, dass der Urlauber noch die Chance hat, von der Reise Abstand zu nehmen oder eine alternative Reise zu buchen. In dem entschiedenen Fall hatte ein Reiseveranstalter sowohl am Tag vor der Abreise wie auch am Abreisetag die Warnung vor dem heraufziehenden Hurrikan Georges erhalten, gleichwohl die Reisenden aber nicht informiert und diese in die Dominikanische Republik reisen lassen. Nach Ankunft war die Anlage zerstört, die Reisenden mussten umquartiert werden und brachen schließlich die Reise nach neun Tagen ab. Der Bundesgerichtshof sprach ihnen einen Anspruch auf Reisepreisrückzahlung und auf Schadensersatz zu. Den Reiseveranstalter treffe eine umfangreiche Erkundigungs- und Informationspflicht hinsichtlich der Gefährlichkeit des Urlaubsortes. Es sei davon auszugehen, dass Reisende im Bereich eines Hurrikans erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt seien, so dass schon eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1:4 eine erhebliche Gefährdung des Reisenden darstellt, so erheblich, dass dies nicht mit einem Hinweis auf das „allgemeine Lebensrisiko“ des Reisenden abgetan werden könne.3

In einem weiteren Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein Incentive-Veranstalter als „Reisender“ im Sinne des § 651 a Abs. 1 BGB anzusehen sei. Ein solcher hatte für die Fußballweltmeisterschaft in Paris bei einem Zwischenhändler Busfahrten zum WM-Fußballspiel Deutschland gegen USA eingekauft, die Reisepreise gezahlt, die vorgeschriebenen Sicherungsscheine erhalten und ansonsten vereinbart, die tatsächlich Reisenden namentlich erst kurz vor der Reise benennen zu dürfen. Hierauf ließ sich vor allem auch die Insolvenzversicherung ein, die für den Reiseveranstalter qua Sicherungsschein dessen Insolvenz absicherte. Prompt ging der Reiseveranstalter vor Reiseantritt pleite, die schon bezahlten Reisen wurden nicht durchgeführt. Nun auf Zahlung in Anspruch genommen, verteidigte sich die Insolvenzversicherung damit, dass die Incentive-Unternehmerin ja eigentlich gar kein „Reisender“ im Sinne des Gesetzes sei, also auch keine Zahlungspflicht der Versicherung bestehe. Dies ließ der Bundesgerichtshof nicht gelten. Übereinstimmender Wille der Vertragsparteien sei es gewesen, die eingekauften Reisen im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter den tatsächlich Reisenden später hin zu übertragen. Ob Reiseleistungen im Rahmen eines Pauschalreisevertrages erbracht werden sollen, sei aus dem Blickwinkel des Zuwendungsempfängers zu beurteilen. Durch die Übergabe der Sicherungsscheine habe die Insolvenzversicherung die vertragliche Abrede übernommen, dass die ursprünglich „eingekauften“ Reisen an die Kunden der Unternehmerin weitergegeben werden. Deshalb müsse sie auch für die Rückzahlungsansprüche einstehen.4

Drastisch ging es im nächsten Fall zu, den der Bundesgerichtshof zu beurteilen hatte: Es hatte jemand eine Gruppenreise nebst einem Helikopter – Skilauf von einem Gletscher gebucht. Es handelte sich hierbei um eine kombinierte Reise: Für die eigentliche Gruppenreise sollte der eine Veranstalter gerade stehen, was dieser auch bestätigt hat; für den Helikopter – Skilauf bestätigte ein weiterer Reiseveranstalter seine Einstandspflicht. Gleich zu Anfang der Reise fand entsprechend ein Helikopter – Skilauf auf einem Gletscher statt. Die Reisegruppe wurde mit einem Helikopter in etwa 4. 000 m Höhe auf dem Gletscher abgesetzt und fuhr in Kleingruppen auf Skiern oder Snowboards zu Tal. Gleich bei der zweiten Abfahrt stürzte die Verletzte mit ihrem Snowboard etwa 10 m tief in eine quer zum Gletscherhang verlaufende Gletscherspalte. Durch den Sturz und die sich anschließenden Rettungsaktionen wurde sie so schwer verletzt, dass sie seitdem querschnittsgelähmt ist. Die zu klärende Frage war nun, welcher der beiden Veranstalter der Verletzten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerade zu stehen hat. Hierzu hielt der Bundesgerichtshof fest, dass jeder Veranstalter nur insoweit haften muss, als er selbst eigene Vertrags- und Sorgfaltspflichten übernommen hat. Da der Unfall während der Skiabfahrten passiert ist, trifft zunächst den zweiten Veranstalter jegliche Haftung. Wenn die Verletzte auch den ersten Reiseveranstalter in Anspruch nehmen wollte, wäre nachzuweisen, dass dieser tatsächlich und vertraglich verpflichtet und in der Lage war, auf das Programm und die Durchführung des Programms des anderen Veranstalters einwirken zu können, dass er insoweit eigene Organisationspflichten übernommen hat, also selbst dafür verantwortlich war, die Reiseleistungen so zu organisieren, dass eine über das bei Skiabfahrten bestehende allgemeine Risiko hinaus gehende Gefährdung der Reiseteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies konnte der Bundesgerichtshof für den ersten Veranstalter nicht feststellen. Das Urteil sollte jeden Reiseveranstalter gleichwohl als Warnung dienen, bei den vielfältigen Sonderangeboten von Skiabfahrten, Tauchprogrammen, Paragliding-Touren, bei Drachenflügen, Hochgebirgswandern, Rafting- und Wildwasserkanufahrten und ähnliches sich sehr sorgfältig die hierbei entstehenden Gefahren bewusst zu machen und die Organisation und Ausführungskontrolle hierauf auszurichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie üblich derartige Programme jedermann angeboten werden, ohne dass in der Ausschreibung auf die besonderen Gefahren und die Anforderungen an Gesundheit und Kondition hingewiesen wird.5

Abschließend sprach der Referent zwei BGH – Entscheidungen an, die vor dem Hintergrund des anstehenden Irak – Konflikts bei der Zuhörerschaft auf besonderes Interesse stieß. Es ging um die in den Allgemeinen Reisebedingungen aller Reiseveranstalter enthaltene Klausel, die vertraglich vereinbarten Reisepreise aus besonderen Umständen nachträglich zu erhöhen. Regelmäßig geht es um Zuschläge aufgrund gestiegener Kerosin-Preise, die von den Fluggesellschaften an die Reiseveranstalter und dann von diesen an die Kunden weiter gegeben werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat nun zwei entsprechende Klauseln der Reiseveranstalter Alltours und Bucher Reisen als intransparent und damit AGB – widrig verboten.6 Im Ergebnis dieser Entscheidungen wird die Veranstalterseite kurzfristig nach Lösungen suchen müssen. Denn gerade mit dem angelaufenen Irak–Krieg wird der Kerosinpreis vermutlich sprunghaft steigen mit der zwingenden Folge, dass die Luftverkehrsgesellschaften bei den Veranstaltern Preisnachforderungen stellen werden. Soll der Nutzen aus Flugpauschalreisen hierdurch nicht aufgezehrt werden, wird diese Preissteigerung an die Reisenden weiter gegeben werden müssen, was jedoch nur auf der Basis einer entsprechenden Einzelabrede oder aber mit einer wirksamen Preiserhöhungsklausel möglich ist. Händeringend wird nach Lösungsansätzen gesucht, nachdem der BGH selbst keinerlei Lösung vorschlägt. Der Referent wies auf einen interessanten und nachdenkenswerten Lösungsvorschlag von Schmid7 hin. Nachdem die Kerosinpreiserhöhung zunächst die Luftverkehrsgesellschaft treffe und nicht den Reiseveranstalter, biete sich an, deren Erhöhungsrechnung als Berechnungsgrundlage der Preiszuschläge im Verhältnis Reiseveranstalter zum Reisenden zu verwenden: die Luftverkehrsgesellschaft benennt gegenüber dem Reiseveranstalter den Treibstoff-Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Buchungsbestätigung und zum Zeitpunkt der Nachforderungserklärung, sowie die hieraus abgeleitete Kostenkalkulation alter / erhöhter Preis. Die Mehrkosten werden sodann dividiert durch die Anzahl der Sitzplätze des vereinbarten Flugzeugmusters und ergeben somit einen für jeden Reisenden nachvollziehbaren Berechnungsweg, an dessen Ende der individuell zu tragende Preisaufschlag steht. Die Branchenjuristen werden aufgefordert sein, diese oder ähnliche Lösungsvorschläge nun kurzfristig in eine AGB-Klausel zu gießen. (PH/CL /PD)

Fußnoten:

1 Interinstitutionelles Dossier: 2001/0305 (COD) des Rates der EUROPÄISCHEN UNION vom 16. Dezember 2002 (15. 01) - 15595/02.
2 Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Luftverkehr. ABl. Nr. L 36 vom 8. 2. 1991, S. 5.
3 BGH, Urt. vom 15. 10. 2002, RRa 2002,258.
4 BGH, Urt. vom 16. 4. 2002, RRa 2002,154.
5 BGH, Urt. vom 12. 3. 2002, RRa 2002,207.
6 BGH, Urt. vom 19. 11. 2002 - X ZR 243/01 und X ZR 253/01.
7 NJW 2003, 947.